Mittwoch, 24. Juni 2009

Der Karateka im Aikido-Training

Gestern Abend konnte ich mein Versprechen wahr machen und Marius im Aikido Training besuchen gehen. Die letzten Wochen standen bei mir ganz im Zeichen der Prüfungsvorbereitung. So hatte ich erst in dieser Woche die Gelegenheit einen Abend für das Aikido-Training zu investieren.
Gespannt betrat ich also das Dojo und wurde von Marius begrüsst. Ausser mir war ebenfalls Sensei Rosmarie und die Aikidokas Miklos, Mike und Robin dabei. Eine Gruppengrösse, die ich mir vom Unterricht im Karate her nicht gewohnt war. Im Begrüssungskreis stellten sich alle Anwesenden vor und auch ich hatte die Gelegenheit ein paar Worte über mich und meinen Besuch zu verlieren.
Dann folgte auch schon das Aufwärmen. Marius leitete uns an, am Boden hin und her zu rollen, in verschiedenen Varianten, mal übers Knie, mal über die Schultern. Langsam führte er uns an die normale Vorwärtsrolle heran und bald rannten wir im Kreis und wurden von Marius und Sensei Rosmarie mit Würfen (bzw. Griffen) durch die Luft gewirbelt und rollten und rollten. Nach einer halben Stunde übernahm Sensei das Training. Wir schnappten uns einen Jo (einen kurzen Holzstab) und übten damit einfache Tsukis (Stösse) auf Bauchhöhe. Danach arbeiteten wir mit Partnern und mussten entweder mit dem Jo angreifen oder als Uke den Jo greifen und den Tori wegdrücken. Als Abschluss zeigten Sensei, Marius und Miklos wie man sich gegen mehrere Toris behauptet.

Aikido ist ganz anders als Karate. Es ist ganz klar eine Kampfkunst. Kampfsport wäre die falsche Bezeichnung. Dies aus mehreren Gründen. Erstens kann man zwar schon auch ins Schwitzen kommen, doch der körperliche Leistungsaspekt steht im Aikido sicher nicht im Vordergrund. Zweitens fehlt der sportliche Aspekt des Wettbewerbs ganz klar. Es gibt im Aikido keine Wettkämpfe und wenn man mit dem Partner arbeitet geht es kaum darum, den anderen zu überlisten, Punkte zu ergattern, sondern viel eher darum, zusammen an der Übung zu arbeiten.
Aber trotzdem hat es Aikido in sich. Die einzelnen Bewegungen sehen zwar nicht allzu komplex aus, doch diese bestimmt und sauber auszuführen und vor allem im Zusammenspiel mit dem Partner auszuführen fordert einiges an Konzentration und Feingefühl.
Mir hat das Training grossen Spass gemacht und ich danke allen, die mit mir trainiert haben.

Sonntag, 7. Juni 2009

Fotos im Mai

Kurzer Rast in Würenlingen während der Velotour

Uchi Deshi am "Sünnele" im Schwimmbad

Im Büro am Üben, wie ein wichtiger Arbeiter auszusehen

Schöne Ausblicke während den Velofahrten (1): Blick vom Höhtal Richtung Südwesten auf Baden.

Schöne Ausblicke während den Velofahrten (2): Blick von Bellikon über das Reusstal Richtung Nordwesten auf den Tafeljura

Prüfungsdaten: Das erste Etappenziel ist in Sicht!

Die Prüfungsdaten sind bekannt!

Freitag, 26. Juni, 21.00 bis 22.00 Uhr
Kata-Prüfung
Hier werden die Katas (Formen) geprüft. Für die Zuschauer wohl das "Schönste" was es zu sehen gibt.

Montag, 29. Juni, 19.00 bis 20.30 Uhr
Kihon-Prüfung
An diesem Abend wird folgendes geprüft: Hand- und Beintechniken (Kihon), Falltechniken, Theorie, Kraft/Kondition, Polster und Kombinationen. Auch sehr schön anzusehen, hier geht es vor allem um Ausdauer und technisches Können.

Mittwoch, 1. Juli, 19.15 bis 21.45 Uhr
Kumite, Prüfungsbewertung
An diesem Abend findet das Kumite (Kämpfen) statt. Das ist sicher spannend zum Zuschauen, braucht aber von den Zuschauern fast genauso viel Biss, wie von den Prüflingen, denn Vollkontakt-Kämpfe anzusehen, kann Schmerzen verursachen. Danach finden die Prüfungsbewertungen statt und es wird entschieden, ob bestanden oder nicht bestanden.

Ich würde mich freuen, ein paar bekannte Gesichter unter den Zuschauer zu wissen, die mich unterstützen und anfeuern.

Sonntag, 31. Mai 2009

Wenn Aikidoka Nasen brechen

Gestern war Uchi Deshi Marius zu Besuch im Erwachsenentraining. Ich hatte ihn bei unserem ersten Treffen eingeladen. Ich hatte allerdings nicht gedacht, dass er dieser Einladung so schnell Folge leisten würde. Umso erfreuter war ich, als er seinen Besuch für das Freitagstraining ankündigte. Pünktlich um acht stand er mit seiner Sensei Rosmarie Herzig vor dem Dojo. Während Sensei das Geschehen vom Besucherbänkchen beobachtete, machte Marius von Beginn an Vollgas mit. Ich war froh, dass die Stimmung unter unseren Senpais und Kohais so gut war. Einen sympathischen Eindruck von unserer Schule musst er doch so einfach kriegen. :-)
Aufwärmen auf Karate-Tour, ziemlich schnell und heftig, mit vielen Kiais. Oder wie es Marius in seinem Blog-Eintrag ausdrückte: Beim Böckchenspringen mit Partner (oben drüber, unten durch) "…bist du nach 10 Mal schön warm." Wie gut, dass das nur eine der Aufwärmübungen ist.
Danach folgte das Kumite-Training. Marius entschied sich, bei der Vollkontakt-Truppe mitzumachen, was mich natürlich freute, hatte ich so die Gelegenheit mit ihm zu kämpfen. Es war zwar nur eine Runde, die wir gegeneinander antraten, aber die hatte es in sich. Marius zufolge, war es das erste Mal seit langem, dass er sich wieder im Vollkontakt mass, aber das merkte man ihm nicht an. Ziemlich schnell und hart landete er seine Schläge, die Mae Geris sassen und auch mein Kopf hätte ein paar Mal unter seinen Füssen leiden müssen - doch zum Glück zog er seine Jodan Kicks nicht durch. Wie es so vorkommt, gibt es auf Fehlschläge und Ausrutscher und so kassierte ich nach einer Minute eine schöne Gerade. Auch wenn der Titel dieses Eintrages etwas übertrieben ist, so spüren ich die Faust auf meiner Nase und den Zähnen noch heute. :-) Hat sich sehr gut gemacht, der Marius!
Die Eindrücke seines Besuches (mit Fotos) könnt ihr in seinem Blog-Eintrag nachlesen.
Danke an die Senpais und die Kohais, dass ihr unseren Gast so gut aufgenommen und mit ihm gelernt habt.
Mein Besuch im Aikido-Dojo steht noch aus. Solange Marius noch da ist, werde ich diesen sicher machen. Ich freue mich...

Sonntag, 24. Mai 2009

Mein Nachbar: Uchi Deshi Marius

Heute habe ich Marius kennengelernt. Er ist zurzeit Uchi Deshi bei Rosmarie Herzig im Aikido Dojo auf der anderen Strassenseite. Auch er schreibt einen Blog, den ich gestern beim rumgooglen gefunden habe. Er kommt aus Berlin, ist gleich alt wie ich und macht von April bis Ende Juni einen Aufenthalt als Uchi Deshi hier in der Schweiz. Da es mich sehr reizte, einen anderen Uchi Deshi kennenzulernen, habe ich ihn heute spontan besucht und zusammen mit ihm ein Bier auf der Oederlininsel getrunken.
Aus dem kurzen Kennenlernen wurde ein eineinhalbstündiges spannendes Gespräch. Wir haben uns über unsere Senpais und Senseis unterhalten, über unsere beiden Wege und über unser Verständnis von Kampfkunst. Ich habe mich sehr gefreut, einen "Gleichgesinnten" getroffen zu haben und ich werde in Zukunft sicher noch ein paar Mal etwas mit Marius unternehmen und hier davon berichten.
Den ersten Eintrag seines Blogs zu seinen Erlebnissen als Uchi Deshi in der Schweiz findest du hier. Um seine anderen Beiträge zu sehen einfach ganz unten an der Seite auf den rechten Link klicken.

Samstag, 23. Mai 2009

Besonderes im Mai

Ich habe grosse Lust, über die heiteren und schönen Seite meines Uchi Deshi Seins zu schreiben. Denn die gibt es - eigentlich zuhauf.
Was es mir im Mai besonders angetan hat:

Mein erstes geleitetes Training
An einem Freitag anfangs Mai durfte ich die Trainingsleitung für das K+-Training übernehmen. Alle DO Mitarbeiter waren im Mitarbeiterwochende - ausser den Hilfssenpais und dem Uchi Deshi. Also hatte mich Marcel angefragt, ob ich die Trainingsleitung für die K+-Klasse übernehmen wolle. Die ganze Woche durch freute ich mich extrem auf diesen Abend. Schliesslich sollte es das erste Mal sein, dass ich ein komplettes Training alleine leiten durfte. Den Nachmittag verbrachte ich mit den Hilfssenpais in den Kinderklassen. Um 19.30 ging es dann los. Die K-Plüsler (dass sind alle Karatekas von 25 - 99 Jahren, die nicht leistungsorientiert trainieren wollen) waren bereits versammelt und plauderten fröhlich durcheinander. Ich startete das Training mit dem Mokuso. Es galt, die Plüsler auf die kommende Prüfung vorzubereiten und mit ihnen das Prüfungsprogramm durchzuarbeiten. 
Wir wärmten locker mit Kombinationen im Kumite-Dachi auf und schon ging es auch Technik für Technik durch das Handkihonstägeli. Beim folgenden Kickstägeli gaben alle noch etwas mehr Gas und so waren wir dann auch ziemlich erschöpft und erholten uns im Musubi Dachi mit einer kurzen Meditation. In der nachfolgenden Solozeit arbeiteten die 9. Kyus an ihrem Stoff, während ich den beiden 10. Kyus den Eingang und das Laufen im Sanchin Dachi beibrachte. Danach liefen wir konzentriert die drei Taekyokus und als Abschluss gab es noch eine Taekyoku-Form mit Kombinationen, die wir gemeinsam einübten. Das brauchte zwar seine Zeit, dafür machte das Laufen danach umso mehr Spass. Die letzten 20 Minuten gestaltete ich mit einem intensiven Stretching.
Das Training hat mir sehr viel Spass gemacht. Ich habe einiges für mich mitnehmen können und stellte mich als Trainer laut den Rückmeldungen recht gut an. Zwar hab ich mich ein paar mal verzählt oder selber nicht ganz das gemacht, was ich eigentlich verlangt habe (wie jetzt? Jodan-Chudan-Gedan oder Gedan-Chudan-Jodan? Drehen mit Jodan? Hmmm…), aber das darf ich ja nocht, ich bin ja noch Blaugurt. :-)

Biken
Eine andere tolle Sache ist das Biken. Nur schon die Wege ins Fitnesscenter, ins Büro oder hinab ins Dojo haben es mir angetan. Ich bin sehr gerne mit dem Velo unterwegs. Ich liebe es, durch die Strassen zu brausen und mir richtig den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen. Besonders jetzt im Sommer ist es verdammt schön.
Auch die Ausdauer-Touren durch die Umgebung haben es mir mittlerweile sehr angetan. Ich mag es, aus Baden in die verschiedenen Himmelsrichtungen zu erkunden und der Limmat, Reuss und Aare entlang die Umgebung auf dem Sattel zu erkunden. Ich werde in den nächsten Wochen ein paar Fotos aufschalten... Die Ausblicke sind absolut herrlich! Und bei diesem geilen Wetter macht es einfach unglaublichen Spass, sich die Höhen hinaufzuquälen um dann die brausenden Abfahrten umso mehr zu geniessen.

Kata
Ja, ich mag es Kata zu laufen. Nirgendswo in den vielen Karate-Elementen habe ich ein stärkeres Gefühl, ganz bei mir zu sein, mich behütet zu fühlen und mich voll auf eben diese eine Sache, die ich im letzten Eintrag angesprochen habe, einlassen zu können. Neben meinem Lieblings-Pinan, dem Pinan Ni hat es mir Sanchin noch einiges mehr angetan. Sanchin ist eine Atemkata, deren wichtigsten Punkte es sind, eine saubere, gleichmässige Atmung und dadurch ein steter Wechsel zwischen Ent- und Spannung des Körpers zu halten. Diese ganz neue Art, Kata zu laufen, irgendwie ganz simpel aber doch unglaublich schwer. Ich weiss noch, wie ich im Februar und März die Tage mit x-Mal Sanchin Üben verbrachte: «Zuerst nur die Technikfolge in den Kopf kriegen, dann die Atmung gut synchronisieren. Achte mal auf mehr Spannung. Sitzt der Sanchin Dachi? Wie krieg ich die Drehungen nur sauber hin? Ok, jetzt mal mit Ibukki versuchen... Oh mein Gott, das hört sich ja an, wie ein Rottweiler, der versucht mit einem Igel im Hals zu bellen...» Doch irgendwann im März (im Eintrag Erfüllende Momente erwähne ich das) lief ich die Kata voll konzentriert und ich war ziemlich erblüfft, wie gut sich Sanchin bereits eingeschliefen hatte.
Am letzten Freitag im Erwachsenentraining sind wir dann durch das Kata-Stägeli gelaufen. Am Ende der Lektion wartete zwei Mal Sanchin auf uns. Ich war zwar ziemlich müde, aber irgendwie ganz freudig und aufgeregt: Endlich durfte ich die Kata unter "Prüfungsbedingungen" laufen. Und sie gelang mir ausserordenlich gut - ich war wirklich sehr zufrieden. Dass der Senpai sie dann auch noch vor versammelter Mannschaft als beinahe perfekt bezeichnete, schmeichelte mir schon sehr - wahrscheinlich glühten meine Ohren in tiefstem Rot. Auch wenn dieses "perfekt" sicher im Kontext des Könnens eines Grüngurts gesehen werden muss, ist es schon schön, bestätigt zu bekommen, dass sich das intensive Training lohnt. ;-)

Freitag, 22. Mai 2009

An der Grenze

Da war es wieder: Dieses Gefühl an der Grenze zu laufen. Mein Gi war schon seit zwei Stunden durchnässt und klebte an meiner Haut. Ich spürte ihn nicht mehr. Mein Atem ging schnell. Ich sog die feuchte, stickige Dojo-Luft tief und schnell ein. In zischenden Lauten stiess ich sie wieder hinaus, jedes Mal spannte sich mein Körper an, um die Schläge und Tritte meines Gegners einzustecken. Ich bemerkte es nicht. Mein linker Oberarm war schon sehr in Mitleidenschaft gezogen, übersät mit roten Flecken, verursacht durch Fäuste und Schienbeine. An meinem linken Schienbein pochte ein Bluterguss, den ich mir zuzog als ich bei einem Block das Knie des Gegners traf. Mein rechter Zeigefinger war gestaucht und schmerzte fast bei jedem Schlag höllisch. Und trotzdem fühlte ich es kaum mehr. Mein eigentlicher Fokus pendelte zwischen zwei Polen. Ich versuchte, mich auf meinen Gegner zu konzentrieren, seinen Schlägen und Tritten auszuweichen, sie zu blocken oder sie wenigstens vernünftig einzustecken. Und dann war ich mit den Gedanken wieder ganz bei mir, redete mir ein, dass ich keinen Durst zu haben brauche, die Schmerzen nicht so schlimm seien, meine Kraft nicht am Ende sei.
Vier Tage zuvor biss ich auf die Zähne. Ich war kurz davor abzusteigen und eine kurze Pause einzulegen. Ich tat es nicht. Schliesslich waren es nur noch gut 5 Minuten bis zur Passhöhe auf dem Regensberg. Meine Oberschenkel und mein Hintern brennten wie die Hölle. Es hatte gerade wieder angefangen zu regnen, eine leichter Luftzug zog mir um die Ohren. Ein BMW Cabrio zog gerade an mir vorbei, während ich einen Gang runter schaltete, um noch langsamer den Berg hinaufzufahren und meinen Atem wieder etwas unter Kontrolle zu bringen. Wieso mache ich das eigentlich? Weshalb schinde ich hier? Um einen Gurtgrad zu erreichen? Um mir selber was zu beweisen? Um stärker, schneller, leistungsfähiger zu werden? Wegen dem Wetter und dem Genuss an der Landschaft kann es nicht sein. Zu sehr stehe ich unter Druck, Gas zu geben, die Strecke effizient zu bewältigen, meine Puls hochzujagen, damit sich mein Kreislauf daran gewöhnt.
Als ich vor mehr als einem Monat vor den Ferien stand, war meine Motivation am Boden. Ja, ich war fit wie noch nie und konnte sehr gut beim Training mithalten. Ich hatte das Gefühl, dass die neuen Techniken sassen, die Katas hatte ich im Griff. Und Tag für Tag zog ich mein Programm durch. Doch die Luft war raus. Ich mochte nicht mehr. Ständig das Gleiche. Immer wieder die gleichen Bewegungen, immer wieder die gleichen Übungen, nur noch Sport, Leistung, Karate. Rauf und runter. Ich bin ein Mensch, dem es schwer fällt, sich ganz auf eine Sache einzulassen. Ich sehne mich nach Abwechslung. Nicht nur inhaltlich, sondern auch nach einer guten Mischung aus Komplexität und Routine. An etwas zu feilen, es zu perfektionieren, von grossen Fortschritten zu immer kleineren zu gelangen, ständig die Schraube noch etwas enger anzuziehen - das liegt mir eher weniger. Die Momente in meinem Leben, in denen ich wirklich verbissen über längere Zeit an einem Thema gearbeitet habe und es bis ins kleinste Detail verfolgt habe, kann ich an einer Hand abzählen - wenn überhaupt. Diese ersten drei Monate als Uchi Deshi offenbarten mir sehr deutlich, wo einer meiner wunden Punkte liegt. Vielleicht ist es kein wunder Punkt. Vielleicht gehört diese Fähigkeit des Perfektionierens, des unhinterfragten Arbeitens am Gleichen über lange Zeit, einfach nicht zu meinen Stärken. Ich habe einmal gehört, dass Muhammad Ali mehr an seinen Schwächen gearbeitet habe, als an seinen Stärken. In der heutigen Zeit fokussiert man sich stets auf die Stärken von Menschen. Man soll sich auf diese beziehen und sein Leben nach seinen Stärken ausrichten. Auch wir von DO richten unsere Angebote und die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern auf die individuellen Stärken der Menschen aus, darin kann man kaum Nachteile sehen. Wenn ich mir überlege, worin der Sinn meines Uchi Deshi Jahres besteht, ist mir klar, dass es auf jeden Fall Grenzerlebnisse fördern soll. Ich sollte mit meinen Schwächen konfrontiert werden. Geht es darum, sie einfach kennenzulernen? Geht es darum, sie vielleicht zu bekämpfen? Davon halte ich nicht viel, schliesslich machen die schwachen Punkte eines Menschen ja gerade den Menschen aus. Ohne Schwäche keine Stärke, ohne Berge keine Täler, ohne Winter keinen Sommer. Dualitäten prägen unser Leben, das ist keine neue Erkenntnis. Was soll man mit den Schwächen machen? Lernen, damit umzugehen? Wenn ja, was heisst das denn genau? Und wie macht man es denn?
Ich freute mich auf meine Ferien und zog in der Woche nach Ostern mit einer Schar 17-jähriger und meinen Kursleitern ins Münstertal in den JUBLA-Leiterkurs. Endlich den Kopf durchlüften. Endlich, nach drei Monaten mehr oder weniger ununterbrochenem Training einen totalen Wechsel der Lebensumwelt. Ich war für sieben Tage weg aus der Stadt, in der Natur. Ich umgab mich mit guten Freunden und obwohl diese Kurswoche nicht annähernd eine so befriedigende Abwechslung ergab, wie ich sie mir vor den Ferien erhofft hatte, schöpfte ich doch neue Energie in meiner Abwesenheit vom Karate. Und ich steckte mich gleich noch mit einer Grippe an, die mich fast die ganze zweite Frühlingsferienwoche vom Training abhielt. 
Als dann vor drei Wochen mein Training wieder richtig begann, erschrak ich. Mir wurde schlagartig bewusst, dass mein erstes Etappenziel vor mir lag: Die Grüngurt-Prüfung Ende Juni. In den letzten drei Wochen plagten mich starke Zweifel, was meine Erfolgschancen an der Prüfung anbelangte. Klar, ich hatte drei Monate intensiv trainiert und den Stoff gelernt. Er sass auch - zumindest hatte ich im Unterricht kaum Hinweise darauf bekommen, dass das nicht so sei. Aber zwei Tatsachen hielten mich davon ab, den Prüfungserfolg positiv zu erwarten. Erstens hatte ich nach zwei Wochen Trainingspause und einer Grippe wieder ziemliche Probleme, mich an die Belastung des Trainingsalltags zu gewöhnen. Die ersten beiden Trainingswochen Ende April/Anfang Mai waren nicht wirklich stimulierend. Schnell hatte ich wieder einen mächtigen Ganzkörpermuskelkater und ich war müde und demotiviert. Zweitens hatten ich seit bald zwei Monaten nicht mehr gekämpft. Ich weiss, dass ich konditionell heute an einem ganz anderen Punkt stehe, als noch vor vier Monaten. Aber mit nur zwei Monaten Kumite hatte ich meine kämpferischen Fähigkeiten nicht so verbessert, dass ich mich für die Prüfungskämpfe gewappnet fühlte.
Marcel riet mir vor einigen Monaten, mich nicht auf Ziele und Wünsche zu konzentrieren, sondern das Ganze einfach hinzunehmen und nur das zu tun, was ich tue. Aber wenn die Prüfung vor einem steht und mir Malibu mit ernstem Blick sagt, dass "wir" an der Prüfung schon eine ziemlich Leistung erwarten (nicht, dass er das hätte sagen müssen), dann steht das auf den ersten Blick in einem ziemlichen Widerspruch zu dem, was Marcel gesagt hatte. Ich ahne irgendwie, dass sich diese Dualität aus einer anderen Perspektive als etwas zu Vereinendes darstellt. Doch diese Perspektive bleibt mir verwehrt.
Und so kämpfe ich weiter in meinen inneren Zweikämpfen. Befinde ich mich an der Grenze. Dann immerhin sehe ich auch, dass es zwei Seiten gibt, die diese Grenze unterscheidet. Wie der Grat die eine Bergflanke von der anderen trennt und sie gleichsam vereint. Immer wieder wage ich mich von der einen Seite an den Grat ran, versuche ihn zu erreichen und besteigen und lande dann auf der anderen Seite, weil ich auf dem Grat den Halt nicht gefunden habe. Dieses Ausbalancieren gelingt mir nicht - zumindest fühle ich das so. Es ist spannend und gefährlich. Und obwohl ich müde bin, vielleicht auch desillusioniert - ich weiss nicht, ob das das richtige Wort ist, um dieses Gefühl zu beschreiben - bin ich mir klar darüber, dass ich weiter versuchen werde, auf diese Grenze zu gelangen.
Ich beende diesen Blog-Eintrag etwas unfertig. Es scheint mir, dass mein Text viele Fragen aufwirft und ich fühle mich nicht in der Lage, befriedigende Antworten zu geben. Ich glaube einfach, dass ich momentan in einem ziemlichen Tal stecke und ständig an mir selber schleife. Das ist auch gut, denn es bedeutet, dass es auch wieder hoch auf den Berg gehen kann. Ich hoffe, dass ich den entsprechenden Weg raus aus dem Tal bald finde und hier davon berichten kann und dann wieder ein paar Schritte auf meinem Weg durch mein Uchi Deshi Jahr sein werde.

Zwei Bilder aus meinen Ferien im Münstertal - hier keimt der Frühling in den Alpen:


Donnerstag, 2. April 2009

Erfüllende Momente

Am Ende der Probezeit angekommen, wurde letzten Mittwoch entschieden, ob's weitergeht mit Uchi Deshi Christian. 
Es geht weiter. Die Ausbildungsleitung und ich sind sich einig: Das Jahr 2009 wird mein Jahr als Uchi Deshi. Noch viel stärker als vor Beginn der Uchi Deshi Zeit bin ich der Überzeugung, einzigartige Wege beschreiten zu dürfen. Natürlich ist die Euphorie etwas verflogen, eine pragmatischere Sicht prägt jetzt öfters meine Urteile und Gedanken. Aber gerade weil ich weiss, dass das Uchi Deshi Sein auch in der Realität funktioniert und dabei wirklich diese erträumten erfüllenden Momente beschert, ist meine Entschlossenheit, dieses Jahr für mich zu machen grösser als zuvor.
Folgende Momente stehen als Beispiel für jenes Erleben und Sein, dass mein Uchi Deshi Jahr auszeichnet und mich erfüllen:
  • Ich komme am Sonntagnachmittag aus dem Krafttraining und mache mich pfeifend, im Velosattel gar singend, auf den Weg zu meinen Eltern. Einfach zufrieden und glücklich mit dem Moment, wie er ist und sich anfühlt.
  • Ich kämpfe im Kumitetraining, merke, dass ich meinen grösseren und schwereren Gegner gut unter Kontrolle haben, lege den Sandsackmodusschalter um und versorge ihn mehrere Sekunden mit ein paar Kombinationen, die richtig sitzen.
  • Nach mehreren Wochen beinahe täglich Sanchin (Infos | Video) üben (meistens sehr langsam und ohne richtiges Ibuki) pausiere ich eine Woche, stehe ein paar Tage später wieder im Dojo und hab Sehnsucht nach Sanchin. Ich entschliesse mich, sie richtig zu laufen, in relativ schnellem Tempo und mir richtigem Ibuki. Höchsterstaunt registriere ich, wie mein Körper die Kata sauber, zügig und kräftig umsetzt und mein Ibuki sich von einem Röchel-Husten in eine annehmbare Form verwandelt hat.
  • Von einer Yogastunde kommend, fühle ich mich, als hätte ich eine Stunde lang die Sonne umarmt.
  • Ich stehe an einem sonnigen Samstagnachmittag im März in der Badstrasse, dicht bevölkert von einkaufswütigen und sonnensuchenden Menschen. Ich habe den Gi an. Vor mir haben 4 Jugendliche ebenfalls im Gi mitten auf der Strasse eine spontane Demo gezeigt und mehrere Tameshiwari durchgeführt - frei gehalten. Ich bin zufrieden und stolz, unglaublich stolz.
  • Ich schaue in die Augen meines Senpais und sehe, dass er sehr zufrieden ist.
  • Entschlossen, an diesem Morgen bereits früh das Sandsacktraining zu absolvieren gehe ich um halb 10 ins Dojo und quäle mich durch das anstrengende Training. Summend verlasse ich danach das Gebäude. Gelöst fühlen sich meine Schritte an. Der Frühling duftet in meiner Nase. Ich weiss, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin.

Ein Dankeschön an meine Mitstreiter
Diese drei Monate wären nicht dieselben gewesen, wenn ich nicht ganz, ganz viele Mitstreiter an meiner Seite gehabt hätte. Es sind gut 300 Mädchen und Jungen, Frauen und Männer, denen ich viele, viele tolle Erfahrungen zu verdanken habe. Ich spreche von den DO-Mitgliedern, die mir das Lernen und Leben in der Gruppe ermöglichen. Es sind jene, die nachfragen, wie's mir geht, wie ich mich fühle. Es sind die vielen Geschichtenerzähler, die mich amüsieren und zum Nachdenken bringen. Es sind die liebevollen Eltern, die ihre Kinder zu mir in den Unterricht bringen, wo ich mit Ihnen Karate erlebe. Es sind meine Kumite-Partner, die in diesem Jahr wenig Chancen haben, im Kumite-Training um mich herum zu kommen. Es sind die Anfänger, die mit Neugierde und grossem Respekt Karate trainieren. Es sind die Karatekas, denen ich etwas beibringe und die sich dafür bedanken. Es sind die Senpais, die mir mit grossem Respekt und Interesse begegnen, mich freundlich aufnehmen in ihrer Mitte. 
Allen ein herzliches Danke. In kleineren und grösseren Teilen seid ihr ebenfalls Uchi Deshi.

Mittwoch, 25. März 2009

Eindrücke im März



Momente während des letzten Monats: Sonnenuntergang am Martinsberg, Aufwärmen in der Oberstufe, GP-Projekt mit einer 2. Sekundarklasse in Siggenthal.

Montag, 23. Februar 2009

Fluch und Segen: Die ersten zwei Monate

Seit 7 Wochen grüsse ich beinahe täglich das Dojo. Die ersten beiden Monate sind schon durch. Es ist vieles passiert in diesen Wochen. Schmerzhaftes und Erfreuliches, Lehrreiches und Kräftezehrendes. Nichts, was extrem aussergewöhnlich wäre - zumindest nichts, was für Aussenstehende aussergewöhnlich ist. Für mich bedeuteten diese Wochen jedoch eine jähe Zäsur im Lebensweg, den ich bisher begangen habe.

Ich tue mich schwer, das Vergangene zusammenzufassen und hier schriftlich zu verarbeiten. Das ist mitunter ein Grund, weshalb ihr, liebe Leser, erst jetzt wieder etwas von meinem Uchi Deshi Sein in schriftlicher Form erfährt.

Woche für Woche spule ich mein Training ab. Teilweise trainiere ich auch am Wochenende, meistens stehe ich zumindest zum Putzen auch am Samstag oder Sonntag im Dojo. Es ist für mich nicht einfach, die Ruhe zu finden und das Vergangene zu verarbeiten, denn bereits am nächsten oder übernächsten Tag geht es wieder los.

Wie sieht ein "normaler" Trainingstag aus?
Es ist eigentlich unmöglich, einen "ganz normalen" Tagesablauf zu skizzieren, da sich jeder Tag fast immer anders gestaltet als der letzte. Trotzdem möchte ich versuchen, einen ungefähren Tagesablauf zu beschreiben.

Los geht's irgendwann am späten Morgen. Da ich eher ein nachtaktives Wesen bin und oft bis halb 10 abends trainiere komme ich meistens nicht vor 2 Uhr ins Bett. Deshalb stehe ich irgendwann zwischen 9 und 11 Uhr auf. Normalerweise esse ich dann ein reichhaltiges Frühstück und vor allem die KH-Speicher aufzufüllen. Dann steht das erste Training auf dem Programm. Ich packe mich warm ein, schwing mich aufs Rad und fahre nach Turgi ins Fitnessstudio. Für eine vollständige Krafttrainingseinheit brauche ich dann gute zwei Stunden. Mir macht das Krafttraining mittlerweile grossen Spass, obwohl ich mich zu Beginn sehr davor gescheut habe, ein Fitnessstudio aufzusuchen. Doch das "Pumpen" tut gut, entleert aber gleich mal sämtliche Energiespeicher. Dafür sieht man auch die Fortschritte, wenn man merkt, dass man für die einte oder andere Übung wieder etwas mehr Gewicht draufpacken kann. Wenn ich dann aus dem Fitness komme, bin ich richtig schlapp. Ein schönes Gefühl. Ich fahre dann noch den letzten Kilometer ins Büro und esse dort mit der Büromannschaft und der Familie Vogt-Frey zu Mittag. Das ist eine sehr schöne Sache, die mir gut tut. Ich geniesse das Familienambiente und freue mich, wenn ich die kleinen Frey-Boys in ihrer kindlichen Unbekümmertheit erleben darf. Kinderlachen steckt an.

Vielleicht bleibe ich nach dem Kaffee noch ein, zwei Stunden im Büro und arbeite etwas. Für die Karateschule oder für die Gewaltprävention. Mitte Nachmittag geht's dann ins Dojo. Ist noch niemand da und hat es der Boden nötig, werden die Dojo-Matten noch sauber gemacht, die Stühle wieder zurecht gerückt, Kaffeetassen gewaschen, Getränke aufgefüllt, Liegengebliebenes in die Fundkiste befördert und die Magazine geordnet. Wenn ich Zeit habe und es im Trainingsplan vorgesehen ist, widme ich mich dann wieder meinem Training. Zum Beispiel bearbeite ich dann den Sandsack 15 Runden lang, jeweils eine Minute Vollgas um dann wieder eine Minute zu erholen (mittlerweile sind es bereits 1.15 min Arbeit und 1 min Pause). Intervalltraining nennt man das. Oder ich trainiere für mich Hand- und Beintechniken, laufe Katas, versuche mich zu verbessern, die Abläufe zu verinnerlichen. Zwischen drei und fünf kommen dann die ersten Kinder, welche sich zum Mini Karate oder den Kinder-Karateklassen einfinden. Für mich meist etwas Zeit um einfach zu sein. Mit den Besuchern zu reden, etwas zu lesen oder einfach dem Unterricht zuzuschauen. Manchmal fahre ich auch kurz nach Hause und esse noch etwas, gehe einkaufen oder hänge Wäsche auf.

Ich stehe um 18.00 Uhr wieder im Dojo und ersetze einen fehlenden Senpai beim Aufwärmen mit den Kindern. Ich helfe dann mit als Hilfstrainer und unterstütze die Trainerinnen und Trainer bei ihrer Arbeit. Um 19.00 Uhr haben dann die Jugendlichen Oberstufe Unterricht. Um in meinem Uchi Deshi Jahr viel zu lernen, trainiere ich dort selber mit. Es ist für mich eine gute Erfahrung, die mich manchmal auch sehr zum Schmunzeln gibt, wenn die Senpais versuchen mit dem guten Dutzend Teenies ihr Training durchzuziehen. Die sind voll in der Pubertät und das kann manchmal amüsant sein, teilweise ist es aber auch mühsam. Vor allem dann, wenn die Mädels bei jeder Gruppenbildung sich wie ein Magnet anziehen und immer unter sich sind... Hmmm... Um 20.15 folgt dann das Erwachsenentraining, normalerweise die für mich intensivste Karateeinheit am Tag. Spätestens um halb 10 ist dann Schluss. Ich freue mich auf die Dusche. Erschöpft und vollgepumpt mit Endorphinen und anderen hormonellen Happy-Machern lasse ich das warme Wasser über meinen Körper laufen, geniesse die Wohligkeit und veranstalte Wasserschlachten mit den anderen Duschgängern.

Irgendwann nach 10 Uhr abends bin ich dann zuhause. Ich bin hellwach und trotzdem müde. Ich weiss, jetzt braucht mein Kreislauf seine zwei bis drei Stunden um wieder herunterzufahren. Aber ans Schlafen ist nicht zu denken. Ich checke also meine Mails, surfe ein bisschen im Netz, schaue TV. Lesen wäre auch schön, doch ich kann mich selten dazu aufraffen. Vielleicht muss noch die letzte Wäsche gehängt werden. Meistens esse ich noch etwas, hauptsächlich Eiweisse. Also ein schönes Stück Fleisch oder Fisch... Hmm! Um 2 Uhr sehne ich mich nach der warmen Decke, hülle mich ein, schliesse die Augen und döse innerhalb weniger Minuten weg...

Natürlich sieht jeder Tag anders aus. Ich mache nicht jeden Tag dasselbe. Auch das Ausdauertraining, der Bürotag, Dojoputzen oder Yoga gehören zu meinen Trainingstagen. Aber ich hoffe, ihr konntet euch in etwa ein Beispiel machen.

Anstatt euch einen chronologischen Ablauf meiner Tätigkeiten zu geben, möchte ich in den nächsten Abschnitten themenbezogen aufzeigen, was mich in den letzten zwei Monaten hauptsächlich beschäftigt hat.

Krankheiten und Schmerzen
Schon nach der ersten Woche fiel ich am Wochenende in einen fiebrigen Zustand. Die zwei Krankheitstage konzentrierten sich zwar nur aufs Wochenende und deshalb konnte ich wieder normal weiter trainieren. Mein Magendarmtrakt machte mir noch etwas zu schaffen, aber ansonsten soweit wieder alles i.O. Nach der zweiten Woche ging ich am Montag der dritten Woche wieder auf meine Joggingrunde. Was danach folgte, kann im vorigen Blog-Post nachgelesen werden. Das Knie machte mir noch gute zwei Wochen zu schaffen, doch mittlerweile ist es wieder fast wie neu. Ich denke, es ist wirklich auf eine Überbelastung zurückzuführen.

Bereits nach der vierten Trainingswoche wurde ich dann wieder krank. Und zwar richtig. Ich fühlte mich am Freitag schon unwohl und wollte zumindest das Kampftraining am Abend ausfallen lassen. Doch Senpai Malibu blieb hart und liess den Trainer raushängen. Ich musste bleiben und kämpfen. Ich war stinksauer, ging aber trotzdem in die Kabine und holte Schoner und Zahnschutz. Ich fühlte mich schwach, wie man sich halt fühlt, wenn man merkt, dass das Fieber langsam zuschlägt. Ich überlebte die Fight Night, lag dafür danach bis Montag im Bett, mit einer sauberen Grippe. Den Husten schleppte ich noch gute zwei Wochen danach mit rum, aber immerhin konnte ich am Dienstag der fünften Woche wieder mit dem Training fortfahren.

Ist es überraschend, dass ich in diesen ersten Wochen diese Krankheiten und Unfälle erlebte? Ich glaube nicht. Was die Gründe anbelangt, kann ich nur mutmassen. Meine Kondition war vor dem Trainingsstart sicher nicht die Beste. Es ist nicht verwunderlich, dass ein solch intensives Training sich auf den Körper nieder schlägt. Ebenfalls habe ich meine Ernährung teilweise schlampen lassen. Oder gibt es sogar psychische Gründe? War ich überfordert mit dem Training, den neuen Erwartungen, der Eintönigkeit, die sich mit der Zeit einnistet? Machte mich auch der Druck (siehe weiter unten) zu schaffen? Ich kann diese Fragen nicht definitiv beantworten. Ich denke, es spielen alle Faktoren eine gewisse Rolle. Mitunter ist es wohl für die meisten Menschen eine Herausforderung, wenn sie eine solche Lebenszäsur erleben, auch wenn sie sich angekündigt hat. Eingehend mit meinem Start als Uchi Deshi wird auch ein Rollenwechsel vollzogen und auch das ist nicht immer einfach zu bewerkstelligen. Dass mein Körper darauf reagiert, scheint der logische Schluss zu sein.

Ich bin aber froh, dass ich nun seit vier Wochen wieder ohne Krankheit oder grössere Schmerzen trainieren kann. Letzte Woche war ich bei 25 Stunden Training/Woche, was schon eine verdammt geile Leistung ist - ohne, dass ich danach krank wurde. Darauf bin ich echt stolz. Ausserdem habe ich auch schon viele positive Bemerkungen und Komplimente für mein Äusseres erhalten - was mir natürlich auch schmeichelt. Das ist schön, darauf bin ich stolz.

Erste Schritte im Unterrichten
Da in der vierten Trainingswoche am Mittwoch Senpai Fabio ausfiel, durfte ich zum ersten Mal das Aufwärmen in zwei Klassen übernehmen. Es machte mir riesen Spass und die Feedbacks lassen vermuten, dass ich mich nicht allzu dumm angestellt habe. Es folgten nach dem Wintersportferien weitere Einsätze im Unterricht und es zeichnet sich ab, dass ich ein, zwei Klassen in Zukunft regelmässig begleiten werde.

Unterrichten macht mir grossen Spass. Ich sehe im Unterrichten eine riesen Chance, selber grosse Lernfortschritte zu machen. Das genaue Beibringen einer Technik oder Schritte einer Kata ermöglicht es, sich selber klar zu werden, wie eine Technik wirklich funktioniert und was sie bedeutet - bedeuten kann - in Kihon, Kata und Kumite. Ausserdem hat jeder Kohai (Schüler der Kampfkünste) einen anderen Zugang zum Kampfkunstverständnis, was immer wieder neue Blickwinkel auf den selben Gegenstand zulässt und zeitweise die Lehrer-Schüler-Situation auch den Lehrer wieder zum Schüler werden lässt.

Woran ich zu beissen habe
Das Training schenkt ein. Ich habe in den letzten Wochen bereits viel neuen Stoff gelernt und nun einiges zu vertiefen. Das Krafttraining macht müde und schlapp, das Dehnen hat mir bereits eine Zerrung besorgt, das Kämpfen gibt Prellungen, blaue Flecken, Schürfungen, Stauchungen und sonstige Wehwehchen, 3 Stunden Karatetraining am Stück hängen ganz schön an. Doch daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Es ist auch nicht das eigentliche Training, woran ich zu beissen habe.

Es sind verschiedene Dinge, die mir zu schaffen geben. Beispielsweise der fehlende Rhythmus meines Tages. Da jeder Tag wieder anders aussieht, schaffe ich es einfach nicht, einen guten Rhythmus rein zu bringen. Ich bin ein Mensch, der sehr gut funktionieren kann, wenn ich mich auf einen von aussen vorgegebenen Raster stützen kann. Beispielsweise der Schulstundenplan oder ein Chef, der mich pünktlich um 8 Uhr jeden Morgen erwartet. Das ist aber nicht mehr der Fall. Ich muss mir meinen Tag bis auf wenige "Pflichtstunden" selber organisieren. Ich tue mich schwer damit und habe noch nicht richtig den Dreh gefunden, dass ich wirklich zufrieden bin. Ich bringe zwar mein Pensum durch, dennoch habe ich viel leere Stunden dazwischen, die ich manchmal sehr unproduktiv verbringe… Darauf gehe ich weiter unten noch einmal ein. In meinem ersten Reflexionsgespräch haben Marcel und ich dieses "Problem" einmal genauer angeschaut. Schlussendlich kam heraus, dass ich eigentlich gar nicht sooo viel unproduktive Zeit verbringe und dass wenn ich sie "unproduktiv" verbringe, das durchaus gut sein kann.

Ein anderes Problem ist der Druck. Es besteht zwar kein wirklicher Druck von der Trainerseite her, vielmehr mache ich mir den Druck selber. Ich habe die fixe Idee, mir ständig Ziele zu setzen, an "Problemen" zu arbeiten und auf eine Idee, einen Wunsch hinzuarbeiten. Im Reflexionsgespräch riet mir Marcel jedoch, dass ich mich vollkommen davon lösen soll. Ich sollte trainieren um des Trainingswillen, vollkommen im Moment leben, keine Wünsche und Vorstellungen, keinen Druck spüren. Zufrieden sein, mit dem Training das ich tue. Training ohne zu werten. Das Ziel sollte eine Zustand ähnlich der Zazen-Meditation sein. Völlig ergebnislos Tätigkeiten verrichten, leben und sein im Moment.
So sollte es sein. Aber das ist für mich nicht einfach. Ich als Mensch, der seine Zeit grundsätzlich produktiv nutzen will, hinter jeder Minute ein Ergebnis sehen will, tut sich schwer mit solchen Vorgaben. Ich muss aber auch zugeben, dass mir das Training seit diesem Gespräch einiges "leichter" gefallen ist. Ich habe mich wirklich versucht zu lösen, von den Wünschen und Vorstellungen. Und es klappt - einigermassen.

Es ist schon irgendwie absurd. Ich trainiere dieses Jahr jeden Tag Karate. Arbeite nur an mir, meinem Geist, meinem Körper. Produktiver Nutzen für DO bringe ich nicht viel (mal abgesehen davon, dass ich das Dojo sauberhalte und ein paar Stunden in der Woche für Projekte arbeite). Während ich im Training meine Runden laufen und den Sandsack bearbeite, dreht sich ausserhalb des Dojos die ganze Welt um ganz andere Dinge. Es geht nicht um Besinnung, zu sich zu kommen, im Moment leben. Es herrscht Sturmzeit. Die Weltwirtschaft steht am Abgrund, Amerika hat einen neuen, enthusiastischen Präsidenten, das Bankgeheimnis geht bald flöten. Rundherum suchen Menschen verzweifelt Arbeit, zehntausende Stellen wurden und werden abgebaut. Die Umwelt steht auf Messer's Schneide. Eine Zeit der Krise, eine Zeit der grossen Veränderung.
Mein Bruder und mein Vater schlagen sich täglich mit dem Dreck der Gesellschaft herum, kämpfen gegen Devianz und Eigenjustitz. Meine Mutter schiebt Zahlen umher, tag ein tag aus. Jeder arbeitet produktiv, erreicht Ziele und ist für andere viel wert. Und ich? Mein Tag besteht aus Training. Fitness, Stretching, Schwimmen, Radfahren, Kata, Kihon, Kumite, Sandsack, Yoga usw. Und dabei trainier ich nicht mal auf einen grossen Wettkampf oder auf sonstige Medaillen und Pokale hin. Ich soll allen Vorstellungen und Wünschen abschwören, alles nur für mich tun, den Moment ganz in mir verorten - jederzeit. Ein Fluch… und zugleich ein Segen.


Nur um es ganz klar zu sagen: Mir macht meine Rolle als Uchi Deshi mehr und mehr Spass. Ich merke, wieviel mir dieses Jahr geben kann und geniesse es auch. Seit einigen Wochen trainiere ich nun wieder ohne Unterbruch. Ich fühle mich fit und sehr wohl in meiner Haut. Ich freue mich auf das, was noch kommen wird.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch mal meinem ganzen Betreuer-Team danken. Besonders Malibu für seine ständige Begleitung und die vielen Privatstunden, die er bereits mit mir verbracht hat.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Gestartet… und gestolpert

Guter Start
Ich bin gut gestartet. Die ersten beiden Wochen konnte ich gut und regelmässig trainieren. Nach der ersten Woche war auch der Ganzkörpermuskelkater verschwunden. Ich merkte schon nach diesen ersten 14 Tagen eine deutliche Leistungsbesserung, besonders in der Ausdauer. Das Training macht mir echt Spass und ich hatte bisher keine Probleme, mich selber zu motivieren. Etwas scher tu ich mich schwer mit der sinnvollen Nutzung der Zwischenzeit für das Studium. Ich muss an der persönlichen Organisation noch ein paar Dinge ändern.

Senpai Pascal umringt von Kohais vor dem Unterricht (o.)
Sofa-Klatsch vor dem Training (u.)

Das Uchi Deshi Sein macht Spass. Mir gefällt die Abwechslung zwischen Arbeit, Training und Studium und ich schätze die Zeit im Dojo für mich. Besonders schön ist es, am Morgen im Dojo zu trainieren und dabei auf das verschneite Baden zu schauen. Am Spätnachmittag bestaune ich meistens die orange Sonne, die über dem verschneiten Martinsberg untergeht.

Ich hatte bereits einige tolle Gespräche und lustige Begegnungen mit den Hunderten von Kindern und Erwachsenen, die das Dojo in der Woche besuchen. Auch mit dem Hauswart und den hilfsbereiten Mitarbeitern im Oederlin Areal hatte ich schon Kontakt, u.a. als ich im Aufzug stecken blieb...


Mini-Kids in Action

Ein Blitz durchs Knie
Am letzten Montag hatte ich beim Joggen von Beginn an Schmerzen im Knie, die sich immer weiter verschlimmerten. Nach 20 Minuten musste ich den Lauf abbrechen, weil mir ein Blitz durch das linke Knie fuhr. Ich lief weitere 20 Minuten zum Dojo zurück und die Schmerzen wurden bei jedem Schritt schlimmer. Im Dojo konnte ich mein Bein relativ gut ruhig halten, doch den ganzen Montagabend durch konnte ich kaum vernünftig laufen.

Ich hoffe, dass diese Schmerzen nur auf eine Überlastung in Kombination mit meiner Anfälligkeit auf Kniegelenksentzündungen dank meiner ungünstig geformten Kniescheibe (vgl. 1. Abschnitt hier) zurück zu führen sind. Ich hoffe, dass diese Schmerzen wirklich nur bei den rythmischen Belastungen wie Joggen und teilweise auch Radfahren auftreten, denn die kann ich umgehen. Ich weiss nicht, was es bedeutet, wenn ich schon Abnutzungserscheinungen aufzeige oder mehr. Ich gehe jetzt zuerst einmal zum Sportmediziner und Orthopäden und dann schauen wir weiter.

Nachdem ich mein Knie jetzt zwei Tage geschont habe und ich nur noch ein kleines Ziehen verspüre, werde ich morgen wieder mit dem Training beginnen, aber weiterhin auf Joggen und schwer kniebelastende Übungen verzichten.

Fazit: Eine tolle Sache, die ich unbedingt weiter ziehen will
Diese beiden ersten Wochen haben mir schon sehr viel gegeben. Ich geniesse die Zeit und die Menschen um mich. Mein Knieproblem macht mir zwar etwas Kopfzerbrechen, aber ich bin zuversichtlich, dass ich Wege finden werde.

Ein grosses Danke an all die Freunde und Mitmenschen, die mich bisher unterstützt und begleitet haben!

Sonntag, 4. Januar 2009

Vor dem Startschuss

Chaos im Bett: Ein Teil meiner Ausrüstung

Ich befinde mich kurz vor dem Startschuss. Mein Bett ist überladen mit meiner Ausrüstung, einiges davon muss noch eingepackt werden. Gi und Obi liegen bereit. Morgen beginnt mein Jahr als Uchi Deshi. In der letzten Woche habe ich die nötigen Einkäufe gemacht: Lebensmittel, Trainingsmaterial und Kleider.
Ich freue mich sehr auf den Start, bin aber nicht ganz so aufgedreht, wie ich es noch vor ein paar Tagen war. Ich bin etwas nervös, leicht angespannt, mit den Gedanken noch nicht ganz dort, wo ich sein sollte.

Trainingsplanung: Der erste Monat

Grundsätzliches zur Trainingsplanung
Das Training wird in verschiedenen Zyklen geplant und durchgeführt. Vereinfacht gesagt trainiere ich jeweils drei Wochen intensiv. Dabei nehmen Trainingsanzahl und Intensität wöchentlich leicht zu. Dann folgt eine Erholungswoche mit einem reduzierten Trainingspensum. Danach geht es wieder von vorne los…
Bis Ende März geht es darum, körperliche und mentale Grundsteine für das Jahr zu legen. Meine Ausdauer soll auf ein gutes Niveau gebracht, Muskeln und Kraft aufgebaut werden. Die Beweglichkeit wird erhöht und neue Karate-Inhalte werden gelernt. Aber es gibt auch Opfer: Nicht nur der Feiertagsspeck muss dran glauben, meine sonst schon knappen Fettreserven sollen weiter ausgedünnt werden. :-D

Woche für Woche…
Für den ersten Monat sieht mein Wochenprogramm in etwa wie folgt aus:
  • 4-5 Lektionen Karate-Training
  • 2-3x Grundlagenausdauer (Schwimmen, Joggen)
  • 2-3x Krafttraining
  • 2-3x Stretching
  • 2x Yoga
  • Individuelles Training (Karate, Sandsack, Koordination, Kraftausdauer etc.) 
  • 3-5h aktive Regeneration (leichtes Schwimmen, Joggen, Spazieren, Wellness, Massage)
  • 15-20h Studium (Lesen, Schreiben, Netzwerken etc.)
  • 10h Arbeiten (dazu gehört auch, dass ich ab sofort für die Sauberkeit im Dojo verantwortlich bin)
Ziele: Einfinden, Zurechtfinden
In diesem ersten Monat wird zwar ernsthaft trainiert, trotzdem sind meine Ziele zu Beginn nicht primär leistungsorientiert. Vielmehr muss ich mich vom bisherigen Alltag distanzieren, die Konzentration fürs Training finden und mich mit den Vorgaben und Anforderungen von aussen und von mir selber zurecht finden. Dabei geht es um Fragen wie: Was leiste ich jetzt? Wo möchte ich in drei Monaten, in einem Jahr stehen? Wie gestalte ich mein Wochentraining geschickt? Wie und durch was erhole ich mich am besten?

Ernährung gehört dazu

Etwas vom wichtigsten für ein seriöses Training ist das Achten auf die Ernährung. Man mutet dem Körper monatelang eine Belastung zu, die er sich bisher kaum gewöhnt war. Doch es geht nicht nur um Energiezufuhr. Auch die richtigen Nährstoffe müssen konsumiert werden, um das Immunsystem zu stärken, den Stoffwechsel in Ordnung zu halten, den Muskelaufbau zu fördern und Knochen zu stärken - vereinfacht gesagt. Ein paar Zahlen? Gerne:
5-6l Getränke pro Tag
4000 kcal pro Tag (das sind 9 Liter Bier, 2.5 kg Teigwaren oder 25 Bananen)
130g Proteine pro Tag (entspricht einem Verzehr von 750g Hüttenkäse oder 500g Fleisch)
Auf jeden Fall freue ich mich auf die Fressschlacht und hoffe, dass ich mit meinem ausgearbeiteten Plan zurecht komme. :-)


Es ist jetzt kurz nach 10 Uhr abends. Morgen um diese Zeit werde ich meinen ersten Tag als Uchi Deshi beendet haben. Nun gehe ich Essen und Getränke vorbereiten und packe meine Trainingstaschen. Danach gehe ich schlafen. Ich bin voller Erwartung, Freude und Spannung. Die Startlinie liegt mir zur Füssen. Nur noch wenige Zeit bis zum Startschuss. Ich bin bereit.